Auskunftsanspruch des pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmers
OLG München, Urteil vom 21.11.2022 – 33 U 2216/22
Das Oberlandesgericht München hatte über Auskunftsansprüche eines Kindes zu entscheiden, dem durch eine Testament auf Gegenseitigkeit seiner Eltern ein Vermächtnisanspruch in Höhe seines Pflichtteils zugewandt wurde. Grundsätzlich stehen dem pflichtteilsberechtigten Kind Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gem. § 2314 BGB zu, d.h. er kann ein notarielles Nachlassverzeichnis oder auch Sachverständigengutachten z.B. für Immobilien verlangen.
Im konkreten Fall machte das Kind aber keine Pflichtteilsansprüche geltend, sondern nahm nur das Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils an. In diesem Fall entschied das Oberlandesgericht München, dass dem Kind dann keine Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche aus § 2314 BGB zustehen, sondern allenfalls ein Auskunftsanspruch zur Durchsetzung des Vermächtnisses besteht. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genügt aber eine einfache schriftliche Auskunftserteilung des Erben.
Erbe oder Vermächtnis bei gemeinschaftlichem Ehegattentestament
OLG Brandenburg, Beschluss vom 9.8.2022 – 3 W 67/22
Setzen sich Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament nicht ausdrücklich zu gegenseitigen Erben ein, sondern formulieren wie in dem entschiedenen Fall lediglich, dass der Längerlebende das gemeinsame Wohnhaus erben solle, genügt dies unter Umständen nicht für die Annahme einer gegenseitigen Erbeinsetzung. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Wohnhaus das wesentliche Vermögen der Eheleute war oder noch weiteres Vermögen vorhanden ist. Sofern wie im vorliegenden Fall noch weiteres wesentliches Vermögen vorhanden ist, führt die Testamentsauslegung zu dem Ergebnis, dass lediglich ein Vermächtnis angeordnet wurde, mit der Folge, dass gesetzliche Erbfolge eintritt und auch die Kinder Miterben werden.
Beweiswert der Aussage eines Notars zur Geschäftsfähigkeit
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 13.7.2021 – 10 U 5/20
Die Frage der Geschäftsfähigkeit bzw. Testierfähigkeit hat weitreichende praktische Bedeutung bei der Prüfung der Wirksamkeit von Erbverträgen oder Testamenten. Die Rechtsprechung definiert die Geschäftsfähigkeit äußerst komplex. Geschäftsunfähig ist demnach, wer über einen länger andauernden Zeitraum hinweg zu freien Entscheidungen nach Abwägung des Für und Wider auf Grund einer sachlichen Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte nicht in der Lage ist, weil seine Erwägungen und Willensentschlüsse wegen krankhafter Geistesstörung oder Geistesschwäche nicht mehr auf einer der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechenden Würdigung der die Außenwelt prägenden Umstände und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden, krankhafte Vorstellungen und Gedanken oder durch unkontrollierte Triebe und Antriebskräfte oder die Einwirkung Dritter derart übermäßig beherrscht werden, dass von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann. Nach dem Erbfall streiten Erben häufig, ob der Erblasser noch geschäftsfähig bzw. testierfähig war zum Zeitpunkt der Errichtung eines maßgeblichen Testaments oder Vertrags. Bei der Beurteilung dieser Frage sind Gerichte und Gutachter häufig auf Zeugenaussagen angewiesen über den Erblasser angewiesen. Das Oberlandesgericht Hamm hat nun entschieden, dass die Einschätzung eines beurkundenden Notars zur Geschäftsfähigkeit hierbei keine zu große Bedeutung hat, da der Notar als Jurist kein medizinisches Fachwissen hat. Ein medizinisches Gutachten, dass die Geschäftsunfähigkeit bestätigt ist daher maßgeblich, sofern keine anderweitigen Umstände des Einzelfalls für die Geschäftsfähigkeit sprechen.